© UNICEF/UNI658432/AndrianantenainaTessa Page unterhält sich mit Schülerinnen in einer Schule in Madagaskar
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Ecovillage in Madagaskar: Resilienz gegen den Klimawandel

Ein innovatives Projekt von UNICEF

Madagaskar
von Autorin Carla Giuseppina Magnanimo

Staub, überall. Auf den Kakteen am Straßenrand, auf den Häuserdächern, an denen wir vorbeifahren und bis tief in die Falten unserer Kleidung. Wir reisen durch den Süden Madagaskars, in der Androy Region. Es ist trocken hier, schon seit langem und die Dürreperioden werden immer härter. Wasser sehen wir kaum, wenn dann nur als trübe Pfützen, wo einmal ein Fluss war.

Der Klimawandel ist hier nicht nur eine theoretische Idee, über die am Küchentisch oder in der Politik diskutiert wird - der Klimawandel ist da und seine Auswirkungen bedrohen die Menschen, die hier leben. Laut dem letzten Klimawandel Bericht von UNICEF aus dem Jahr 2021 liegt Madagaskar auf Platz 10 weltweit, wo Kinder am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Die Kinder in Madagaskar brauchen vor allem eines: Lösungen.

Von der innovativen Idee zur Praxis

Eine Lösung gibt es hier: im Ecovillage Ankaranabo (Ecovillage zu dt. "Ökodorf"). Das Ecovillage ist ein Programm von UNICEF, das darauf abzielt, den Ort Ankaranabo und die Menschen, die dort leben, widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen. Dabei geht es um klimaresistente Infrastrukturen, nachhaltiges Unternehmertum und das Wohlergehen der Kinder in einer Umwelt, die immer unberechenbarer wird. Das Ecovillage ist eine Innovation, denn hier sollen menschliche Bedürfnisse mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen in Einklang gebracht werden.

Fokusland: Madagaskar

Wieso das so wichtig ist? Viele Menschen in der Region sind so arm, dass sie kaum an etwas anderes als ans Überleben denken können. So holzen viele von ihnen beispielsweise Bäume ab, um daraus Kohle herzustellen, diese weiterzuverkaufen oder um selbst Feuer im Haus machen zu können. Feuer brauchen sie zum Kochen. Auch verunreinigtes Wasser wird damit abgekocht, um Krankheiten zu vermeiden. Sauberes Wasser ist im Süden Madagaskars nur sehr schwer zu finden. UNICEF hat im Ecovillage Ankaranabo ebenfalls Wasserpumpen errichtet, damit die Menschen unkomplizierten Zugang zu sauberem Wasser haben, was nicht abgekocht werden muss. Auch so soll versucht werden, einem zu großen Bedarf an Kohle entgegenzutreten.

Einblicke in das Ecovillage Ankaranabo:

Ein junger Mitarbeiter im Gesundheitszentrum im Ecovillage

Bild 1 von 10 | Ein Mitarbeitender des von UNICEF unterstützen Gesundheitszentrums kümmert sich um den bürokratischen Aspekt. In dem Zentrum können Mütter ihre Kinder behandeln und impfen lassen. UNICEF hat in dem Gebäude für eine stetige Stromversorgung gesorgt, sodass die Behandlung dort reibungslos verlaufen kann. Vor allem Malaria und Mangelernährung sind ein großes Problem in der Region und viele Mütter kommen täglich in das Zentrum, das nicht weit vom Zentrum des Dorfs entfernt ist.

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Eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm in ihrem Zuhause

Bild 2 von 10 | Sizamena mit ihrer Tochter Sambitano auf dem Arm - das kleine Mädchen verlor nach einer Infektion mit Malaria viel Gewicht. Sizamena bekam Hilfe in einem von UNICEF unterstützen Gesundheitszentrum, nicht weit entfernt von ihrem Haus. Bei unserem Besuch im Ecovillage luf sie uns in ihr Zuhause ein, um über die Situation im Dorf und die Mangelernährung ihrer Tochter zu sprechen.

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Einem kleinen Mädchen wird der Oberarm gemessen, um zu prüfen ob sie mangelernährt ist

Bild 3 von 10 | DIe kleine Sambitano bleibt tapfer bei der Untersuchung im Gesundheitszentrum. Hier brachte ihre Mutter Sizamena sie hin, um sie auf Mangelernährung untersuchen zu lassen. Wie auf dem Foto zu sehen, ist Sambitano noch nicht wieder über den Berg und muss weiter mit therapeutischer Zusatznahrung behandelt werden. Die Auswirkungen des Klimawandels haben hier in Anakaranabo einen dramatischen Effekt auf das Leben der Menschen: immer länger anhaltende Dürren lassen Ernten verkommen und es gibt immer weniger Essen und sauberes Wasser. Ansteigende Fälle von Mangelernährung sind eine Folge davon.

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Eine Mutter lächelt und drückt ihr Kleinkind an sich, welches therapeutische Zusatznahrung isst

Bild 4 von 10 | Sizamena kann endlich wieder lachen, nachdem sie lange um die Gesundheit ihrer Tochter gebangt hat. Sambitano erhält therapeutische Zusatznahrung im Gesundheitszentrum und offensichtlich geht es ihr gut damit.

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Tessa Page unterhält sich mit Schülerinnen in einer Schule in Madagaskar

Bild 5 von 10 | Tessa Page im Gespräch mit zwei Schülerinnen in Ankaranabo. Eines konnten wir auf unserer Reise immer wieder feststellen: Bildung ist ein fundamentaler Bestandteil für die Zukunft von Kindern. Bildung kann ihnen helfen, aus dem Kreislauf aus Armut und Abhängigkeit von bestimmten Sektoren, wie der Landwirtschaft, auszubrechen. Außerdem können sie in der Schule das sein, was sie sind: Kinder. Vor allem für junge Mädchen ist die Schule essenziell, um sie vor Zwangsehen und frühen Schwangerschaften zu schützen.

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Eine Mutter und ihr Sohn sitzen auf einer Bank vor ihrem Haus

Bild 6 von 10 | Zafia geht wieder zur Schule - auch dank UNICEF und der Initiative im Ecovillage. Zwei Jahre lang konnte er nicht zur Schule gehen, da er seiner Mutter helfen musste, Geld für die Familie zu verdienen. Also verkaufte er Gemüse und Kohle auf dem Markt. Außerdem war er für das Wasserholen zuständig, eine Aufgabe, die häufig Kindern zukommt. Durch die Auswirkungen des Klimawandels werden die Wasserquellen immer weniger und oft sind sie so weit weg, dass die Kinder den größten Teil des Tages damit beschäftigt sind und so die Schule verpassen. UNICEF hat dabei Abhilfe geschaffen...

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Ein Junge holt Wasser aus einer Wasserpumpe die von einem blauen Zaun umgeben ist

Bild 7 von 10 | ... und in der Nähe einiger Häuser eine Wasserpumpe installiert. So muss Zafia nun nur noch hinter sein Haus laufen und kann dort seine Wasserkanister befüllen. Das gestaltet seinen Alltag und den seiner Familie, deutlich einfacher und er hat wieder mehr Zeit, um zur Schule zu gehen.

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Eine ältere Dame in ihrem Haus im Ecovillage Ankaranabo

Bild 8 von 10 | Francine hat den größten Teil ihres Lebens in Ankaranabo verbracht und erzählt uns bei unserem Besuch davon, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Das wichtigste für sie ist Bildung, denn es sei der einzige Weg, um etwas anderes zu lernen und nicht von der Landwirtschaft abhängig zu sein, die durch den Klimawandel immer unbeständiger wird.

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Eine Schneiderin sitzt neben ihrer Nähmaschine und hält zwei Binden hoch, die sie genäht hat

Bild 9 von 10 | Fostine zeigt stolz die Binden, die sie hergestellt hat. Dank einer lokalen NGO und der Unterstützung von UNICEF konnte sie die Binden zu einem Geschäft machen und verkauft diese nun. Die Nachfrage, so sagt sie bei unserem Besuch, würde immer größer werden. Sie und die anderen Schneiderinnen im Dorf betreiben außerdem Aufklärungsarbeit zur Periode und Hygiene, insbesondere für Frauen.

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Eine Männerhand nimmt ein Stück ökologisch abbaubare Kohle in die Hand

Bild 10 von 10 | Innovation wird großgeschrieben im Ecovillage. So versucht UNICEF gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Dorfes Wege zu finden, wie sie von dem profitieren können, was in der Umwelt im Übermaß verfügbar ist, ohne der Umwelt zu schädigen. Es gibt Experimente mit der ökologisch abbaubaren Kohle, die aus Kuhdung und Blättern besteht.

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Ein Ansatz, um die Bedürfnisse der Menschen mit umweltfreundlichen Praktiken zu verbinden, ist Kohle, die aus Kuhdung und getrocknetem Gras hergestellt wird. Stolz zeigt uns Soamihary, 38 Jahre, die zylinderförmigen, dunkelbraunen Kohlen, die er herstellt. Insgesamt sieben Tage müssten sie sowohl in der Sonne als auch im Schatten trocknen, erzählt er uns. Mit vier Stück könnte man einen Topf Reis zum Kochen bringen. Das klappt noch nicht immer richtig gut, aber so ist das im Ecovillage: Es werden stetig gemeinsam mit den Menschen im Dorf neue Innovationen ausprobiert. Zugleich dient es dem Gefühl, als Gemeinschaft Möglichkeiten zu haben und den veränderten Bedingungen nicht schutzlos ausgeliefert zu sein.

Geschichten aus dem Dorf

Francine ist 69 Jahre alt und in Ankaranabo aufgewachsen. Nachdem sie die Schule beendet hatte, besuchte sie die Universität. Als sie schwanger wurde, kehrte sie nach Ankaranabo zurück und unterstützte ihre Eltern in der Landwirtschaft. Sie konnte genau beobachten, was sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. "Es ist schwierig, die Jahreszeiten auseinanderzuhalten", erzählt sie uns bei unserem Besuch in ihrem Haus. An den Wänden hängen bunte Poster und Fotos, eines davon zeigt sie als junge Frau in einem weißen Kleid, mit einer Freundin aus der Universität. "Es ist unvorhersehbar geworden, wann wir etwas anpflanzen oder ernten können. Die meisten von uns haben sich darauf noch nicht eingestellt, dadurch haben viele ihre Ernten verloren." Eine verlorene Ernte bedeutet hier Hunger. Und das führt zu einer weiteren, heftigen Folge des Klimawandels: Mangelernährung.

"Kinder hier sind oft […] betroffen, weil ihre Ernährung nicht ausgewogen ist. Sie essen, was verfügbar ist, aber es ist nicht mehr wie früher", sagt Francine. Damit sie nicht hungern, wird den Kindern das gegeben, was auch für die Erwachsenen da ist, beispielsweise Maniok. Altersgerecht ist das nicht und oft können sie die Nahrung nicht gut verdauen. Somit sind sie einem größeren Risiko von Mangelernährung ausgesetzt. Wenn die Kinder durch die Mangelernährung geschwächt sind, sind sie auch anfälliger für Krankheiten, wie Lungenentzündungen und ihr Immunsystem kann zum Beispiel eine Malaria schlechter bekämpfen.

Gesundheit vor Ort

Im Gesundheitszentrum vor Ort können Eltern Hilfe finden, wenn ihre Kinder krank sind. UNICEF bietet hier Trainings an, bei denen die Eltern lernen, was sie mit den vorhandenen Zutaten kochen können, um ihren Kindern so eine ausgewogenere Mahlzeit zu bieten. Problematisch ist hier in Ankaranabo nicht nur die Mangelernährung, sondern auch Krankheiten wie Malaria. Dies musste auch Sizamena, eine junge Mutter, am eigenen Leib erfahren. Ihre neun Monate alte Tochter Sambitano erkrankte an Malaria und verlor schnell sehr viel Gewicht. Gleichzeitig konnte Sizamena ihre Tochter nicht stillen, da sie selbst nur wenig Essen und somit kaum Milch zur Verfügung hatte. "Als ich merkte, dass sie [Sambitano] immer mehr an Gewicht verlor, bekam ich Panik. Ich hatte kein Geld für Essen oder Medikamente und ich wusste nicht, was ich machen sollte." Schließlich ging sie in ein von UNICEF unterstütztes Gesundheitszentrum, wo sie von den Mitarbeitenden therapeutische Zusatznahrung für Sambitano bekam. "Dadurch hat sie schnell wieder zugenommen." Als Sizamena sah, dass es ihrer Tochter langsam wieder besser ging, konnte auch sie wieder aufatmen.

"Bildung ist das wichtigste Erbe"

Eine ältere Dame steht vor ihrem Haus im Süden Madagaskars

Francine vor ihrem Haus im Ecovillage Ankaranabo, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht hat.

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Im Ecovillage laufen viele Fäden zusammen und bilden ein großes Ganzes. Es ist ein eigenes Ökosystem, das nur funktioniert, wenn jeder Teil seine Rolle erfüllt. Eine neue Schule in der Nähe des Dorfes sorgt dafür, dass die Kinder bessere Chancen auf Bildung haben. Zuvor ist die Schulbeteiligung eher niedrig gewesen. Auch dies liegt an den Klima-Veränderungen, erzählen uns Lehrpersonal und Schulleiterin bei unserem Besuch. Viele Kinder müssen ihre Eltern bei der Arbeit unterstützen, da die Ernten immer schmaler ausfallen und das Einkommen ausbleibt. Zudem seien die Kinder meist zuständig für die Beschaffung von Wasser, für das sie immer weiter laufen müssen. Zeit, die sie vor allem vom Lernen abhält. UNICEF hat zu diesem Zweck sechs Wasserstellen eingerichtet, um den einfachen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu gewährleisten.

Auch der 69-jährigen Francine ist die Schule immer wichtig gewesen, war sie doch selbst an der Universität. Sie habe sich immer bemüht, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Und auch für ihre Enkel wünscht sie sich, dass sie so lang wie möglich lernen können. „Bildung ist das größte Erbe“, sagt sie. „Ackerbau und Viehzucht hängen vom Wetter ab, aber bei schlechtem Wetter reicht die Produktion nicht zum Überleben.“

Unabhängigkeit ein großes Ziel

Für diejenigen, die bereits aus der Schule raus sind, schaffte UNICEF im Ecovillage ebenfalls Möglichkeiten, unabhängiger von der Landwirtschaft zu werden. Fostine ist 42 Jahre alt und näht wiederverwendbare Binden, die Mädchen und Frauen während der Periode verwenden können. Sie wurde von einer lokalen Organisation und UNICEF darin geschult. Die Binden verkauft sie für einen kleinen Preis – und die Nachfrage wird immer größer. Seit sie mit ihrem Geschäft angefangen hat, haben immer mehr Frauen in der Gemeinschaft bei ihr gekauft und die Gesundheit der Frauen hat sich deutlich verbessert, da ein neues Bewusstsein geschaffen wurde.

Ein Gruppenbild mit Mitarbeitenden von UNICEF und der Stiftung United Internet for UNICEF

Der Abschluss eines ereignisreichen und lehrreichen Tages: Die Stiftung United Internet for UNICEF dankt den Mitarbeitenden von UNICEF Deutschland und UNICEF Madagaskar für die Organisation und die Einblicke in die Arbeit.

© UNICEF/UNI658465/Andrianantenaina

Wir verlassen das Ecovillage – voller Hoffnung

Das Ecovillage Ankaranabo ist in seiner Form ein einzigartiges, innovatives Projekt von UNICEF. Hier laufen mehrere Wirkungsbereiche zusammen, wie der Fokus auf Bildung, die Bekämpfung von Mangelernährung und der Zugang zu Wasser. Die Familien, Eltern und Kinder, die hier leben, haben alle ihren Anteil daran, dass ihr Ökosystem namens Ankaranabo funktioniert.

Carla Giuseppina Magnanimo
Autor: Carla Giuseppina Magnanimo

Online Editor
Stiftung United Internet for UNICEF