© UNICEF/UNI539220/ZAGOUTEin Junge sitzt in einer Schlange und wartet auf Wasser
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Gaza: Kindheit im Krieg

Gaza
von Autorin Carla Giuseppina Magnanimo

Krieg ist für viele von uns etwas Abstraktes: Krieg, das ist woanders, aber nicht in Deutschland. Krieg, das sind vor allem viele Zahlen über Tote und Verletzte, unter denen man sich jedoch kaum etwas vorstellen kann. Und was leider oft vergessen wird ist, dass hinter jeder dieser Zahlen ein Mensch steckt. Dahinter stehen Kinder, die den Krieg mit ihren eigenen Augen erleben, die Familienmitglieder verloren haben, nicht mehr zur Schule gehen können, kein Essen und sauberes Wasser und nicht einmal einen sicheren Ort zum Schlafen haben. Die Kinder und ihre Familien, die vor dem Nichts stehen und alles verloren haben, brauchen Unterstützung. Aber wer sind diese Menschen? In unserer Bildergalerie erzählen wir ein paar ihrer Geschichten:

Ein kleiner Junge mit einem amputierten Bein wird von seiner Mutter gehalten

Bild 1 von 11 | Ahmad schlief tief und fest, als sein Haus am 23. Oktober 2023 von Bomben zerstört wurde. Er erlitt Verletzungen am Bein und wurde so schnell wie möglich ins Krankenhaus gebracht. Aufgrund der begrenzten medizinischen Ressourcen musste sein Fuß amputiert werden. "Ich habe früher sehr gerne Fußball gespielt und wollte Fußballer werden, wenn ich groß bin, aber jetzt kann ich das nicht mehr," erzählt Ahmad. Der Dreijährige erlitt wegen seiner Verletzungen und des Krieges einen psychischen Schock. Er verlor für einige Zeit die Fähigkeit zu sprechen und hörte auf, mit seiner Familie zu kommunizieren. Seine Schwester Reema erlitt ebenfalls Verletzungen und wurde zur Behandlung mit ihrem Vater nach Ägypten gebracht. Ahmads Mutter und seine Geschwister sitzen an seinem Bett und versuchen, ihn aufzumuntern, indem sie ihm Spielzeug bringen und "Ahmad der Held" auf sein Bein schreiben.

© UNICEF/UNI488694/Zaqout
Eine Mutter vor einem Fischerboot am Meer in Palästina mit einem Kleinkind

Bild 2 von 11 | Die achtköpfige Familie Daya hat in einem Fischerhafen an der Küste der Stadt Rafah einen Zufluchtsort gefunden. "Meine Familie und ich haben sehr unter der Zerstörung, den Bombardierungen und den Verletzungen gelitten. Ich hätte nie gedacht, dass wir alle dem Tod entkommen würden", sagte Hanadi, die Mutter der Familie. "Aber meine Kinder leiden unter Kälte, Hunger und Unsicherheit." Sie spricht über die Angst um ihre Kinder, insbesondere um ihr fünf Monate altes Baby Ahmed. "Ich habe große Schwierigkeiten, Ahmed zu ernähren, da es an Nahrungsmitteln und Trinkwasser mangelt", sagt sie. Ihab, der Vater, berichtet, dass seine Familie unter der Kälte in der Nacht leidet. "Wir können kein Feuer machen, da die Militärschiffe auf jeden zielen, der sich nachts bewegt", sagt er.

© UNICEF/UNI501938/Zaqout
Kinder in einem Zelt in Chan Yunis

Bild 3 von 11 | Im November vergangenen Jahres wurden die Eltern und der Zwillingsbruder des zwölfjährigen Omar getötet, als sein Zuhause unter Beschuss geriet. "Ich halte meine Augen geschlossen, um sie nicht zu vergessen", erzählt er. "Einmal träumte ich, dass ich meinen Opa besuche und dass ich sie dort wiedersah. Es schien so real, dass ich tatsächlich glaubte, es wäre wahr. Aber dann bin ich im Zelt aufgewacht."

© UNICEF/UNI604476/Eliean
Der kleine Fares präsentiert stolz seine Vögel, die er überall mithinnimmt

Bild 4 von 11 | Fares hat seine Vögel vor dem Krieg gerettet. Der sechsjährige Junge aus Chan Yunis musste aufgrund des Krieges mit seiner Familie nach Rafah fliehen und wollte seine Vögel unter keinen Umständen zurücklassen. "Ich liebe meine beiden Vögel, sie sind jetzt meine besten Freunde und ich kümmere mich gut um sie", sagt Fares. "Ich wünsche mir, dass der Krieg bald zu Ende ist, damit ich in mein Zimmer, in mein Viertel und zu meinen Freunden zurückkehren kann."

© UNICEF/UNI501900/El Baba
Ein kleines Mädchen auf dem Arm seines Vaters

Bild 5 von 11 | Das Haus der vierjährigen Ghazal in Gaza wurde am 12. Oktober 2023 von Militärpanzern belagert. Sie erlitt eine schwere Fußverletzung, doch keines der medizinischen Teams kam zu ihr durch. Ein Arzt im Nachbarhaus führte eine behelfsmäßige Operation ohne Narkose durch, um die Blutung an ihrem Fuß zu stoppen. Erst Tage später konnte Ghazal schließlich ins Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis gebracht werden, wo ihr infizierter Fuß amputiert werden musste. Ghazal träumt davon, eine YouTuberin zu werden. Im Krankenhaus versuchten ihre Großmutter, ihre Mutter und ihr Vater, sie auf die Amputation vorzubereiten.

© UNICEF/UNI488721/Zaqout
Ein junges Mädchen in einem Rollstuhl und einem geschienten Bein schaut in die Kamera

Bild 6 von 11 | Mays ist 13 und lebte vor dem Krieg in Jabalia, einem schönen Ort am Strand: "Ich verbrachte viel Zeit am Strand und schaute den Wellen zu. Das war meine Lieblingsbeschäftigung", erzählt sie. Nun sitzt sie aufgrund einer Beinverletzung im Rollstuhl, in einem Schutzzentrum im Industriegebiet von Chan Yunis im südlichen Gazastreifen. "Mir geht es nicht gut, hier zu leben, es ist schrecklich. Aber es ist besser als in einem Gebäude zu leben, das mir Angst macht, wegen dem, was passiert ist. Ich wurde unter den Trümmern hervorgezogen. Ich fühle mich hier sicherer, auch wenn die Lebensbedingungen schlecht sind." Ihre Mutter Malak fügt hinzu: "Jedes Mal, wenn sie in einen geschlossenen Raum geht, gerät sie in Panik und wir müssen sie sofort herausholen."


"Ich möchte laufen können," sagt Mays, "Ich möchte an den Strand gehen und dort den ganzen Tag bleiben. Ich will nur, dass dieser Krieg aufhört. Ich bin so müde. Ich kann das nicht mehr ertragen. Ich will, dass es aufhört."

© UNICEF/UNI501951/El Baba
Ein Junge sitzt in einer Schlange auf einem Eimer um Wasser zu holen

Bild 7 von 11 | Der elfjährige Muhammad steht in der Schlange zwischen den Wassertanks und wartet, bis er an der Reihe ist, um sauberes Trinkwasser für seine Familie abzufüllen. Diese wurden wegen des anhaltenden Krieges nach Rafah vertrieben. Muhammad ist erschöpft. Er steht jeden Tag stundenlang in der Schlange für Wasser und Essen. "Jeden Tag laufe ich zwei Kilometer und verbringe mehr als fünf Stunden damit, meine Familie mit einer Mahlzeit am Tag zu versorgen. Das ist hart und anstrengend, aber ich muss es jeden Tag tun, ohne müde zu werden oder mich zu langweilen, sonst essen wir nichts", sagt Mohammad. "Wenn ich meine kleine Schwester umarme, fühle ich, wie das Glück meinen Körper durchströmt und mich den Horror des Krieges und der Zerstörung um uns herum vergessen lässt. Ich liebe sie sehr und ich liebe ihren Geruch", sagt Mohammad.

© UNICEF/UNI539220/ZAGOUT
Eine Mutter mit ihrer Tochter sitzt auf dem Boden eines Zeltes

Bild 8 von 11 | Wafa und ihre siebenjährige Tochter Rozina sitzen in ihrem Zelt in Rafah. "Ich bin Mutter von fünf Kindern. Wir lebten in Chan Yunis und wurden nach Al-Mawasi im südlichen Gazastreifen umgesiedelt", erzählt Wafa. "Ich lebte zuvor in einem kleinen Zelt mit 14 Personen und litt unter den schwierigen Bedingungen, die durch den Mangel an Wasser, die ständige Verschmutzung und das Fehlen von Toiletten verursacht wurden."


"Zum ersten Mal seit sechs Monaten habe ich ein privates Bad mit Seife benutzt und konnte duschen. Das hat mich zum Weinen gebracht, weil ich so viele schwierige Situationen durchgemacht habe", sagt Wafa. "Wir wollen zurück in unsere Heimat. Wir haben genug vom Krieg, wir sind müde", fügt sie hinzu. Das Zeltlager, in dem Wafa ist, ist für verwitwete Mütter, verletzte und gefährdete Kinder und Familien bestimmt. Sie erhalten dort ein Zelt, sauberes Trinkwasser und eine Mahlzeit pro Tag.

© UNICEF/UNI556614/El Baba
Ein Teeanger-Junge hält seinen zweijährigen Bruder auf dem Arm

Bild 9 von 11 | Der 14-jährige Mohammad hält seinen kleinen Bruder Khaled fest im Arm. Sie stehen vor einem Zelt im Geflüchtetenlager Al-Mawasi, wo sie untergekommen sind und versuchen, dem Krieg zu entkommen. "Seit Beginn des Krieges ist meine Familie viermal vertrieben worden. Ich vermisse mein Zuhause, mein Zimmer und meine Freunde. Dieser Krieg dauert schon sehr lange an, und ich habe Angst um Khaled", sagt Mohammad.

© UNICEF/UNI577004/Media Clinic
Ein junges Mädchen auf dem Boden ihres Zeltes in Rafah

Bild 10 von 11 | Duha, 14 Jahre alt, ist ein Mädchen aus Beit Hanun, im Norden des Gazastreifens, und musste wegen des Krieges nach Rafah fliehen. Sie ist taub und erzählt ihre Erlebnisse daher in Zeichensprache: "Ich bin 14 Jahre alt und habe sieben Geschwister. Das Leben ist unglaublich schwierig, und die Bedingungen sind schrecklich. Um auf die Toilette zu gehen, muss ich eine weite Strecke allein zurücklegen. Das macht mir so viel Angst, dass ich mich auf einen Gang pro Tag beschränke." Duha erhielt ein Hygiene-Kit, in dem sich unter anderem auch Artikel für die Menstruation befanden, die ihr sehr geholfen haben. "Trotz allem habe ich mir meine Fröhlichkeit und meine Liebe zum Leben bewahrt. Mein Optimismus ist ungebrochen, genährt von der Hoffnung auf ein Ende des Krieges und einen Neuanfang."

© UNICEF/UNI549476/El Baba
Zwei Mädchen hocken auf dem Boden, vor ihnen gefüllte Wasserkanister, hinter ihnen viele Menschen ebenfalls mit Kanistern

Bild 11 von 11 | Joudy, zehn Jahre, holt gemeinsam mit ihrer Freundin Toleen, sieben Jahre, Wasser bei einem von UNICEF unterstützten Wassertank in Deir al-Balah im Gazastreifen. Sauberes Trinkwasser ist schwer zu bekommen und viele Menschen, oft auch Kinder, laufen täglich kilometerweit, um Wasser für ihre Familien zu holen. "Wenn ich groß bin, möchte ich Ärztin werden", sagt Joudy. "Jeden Tag Wasser abzufüllen, tut meinen Händen und meinem Rücken weh. Ich möchte nur mit meinen Freunden spielen", fügt sie hinzu.

© UNICEF/UNI589850/El Baba

Was ist das Schwierigste für die Kinder in Gaza?

Die Gesamtsituation in Gaza ist höchst dramatisch und ein Ende des Krieges ist derzeit nicht in Sicht. Kinder sterben durch die Bombardierungen, aufgrund von Mangelernährung oder Krankheiten, die nicht behandelt werden können. Es gibt nicht genügend zu essen und wenig verfügbares, sauberes Trinkwasser. Mangelernährte Kinder sind besonders anfällig für Krankheiten, wie Lungenentzündungen. Schmutziges Wasser kann beispielsweise zu schwerem Durchfall führen – für ein mangelernährtes Kind kann das ein Todesurteil sein.

Doch selbst Kinder, die glücklicherweise bislang unverletzt geblieben sind oder noch kein Familienmitglied verloren haben, werden die Narben dieses Krieges weiter in sich tragen. Denn das Aufwachsen zwischen Bomben, zerstörten Häusern und Gewalt bietet keinerlei Möglichkeit auf einen normalen Alltag, wie er zuvor war, wie zum Beispiel durch Schulbesuche, das Spielen mit anderen Kindern oder einfach nur ein friedliches Abendessen in der Familie. Der Krieg zehrt an der psychischen Gesundheit der Kinder. Es gibt derzeit keinen sicheren Ort für Kinder in Gaza und dies ist äußerst besorgniserregend.

Wie kann den Kindern geholfen werden?

Familien und Kinder in Gaza sind am Ende ihrer Kräfte: Sie sind hungrig, traumatisiert und erschöpft. UNICEF-Teams arbeiten Tag und Nacht daran, Kinder mit therapeutischer Nahrung und anderer lebensrettender Hilfe zu erreichen. Sie bringen immer wieder lebenswichtige Hilfsgüter wie Spezialnahrung, Trinkwasser und Medikamente in den Gazastreifen.

Für die Hilfsorganisation ist es extrem schwierig, die Kinder in Gaza mit lebensrettender Hilfe zu erreichen. Zerstörte Straßen, die Gefahr durch Bombardierungen und Minen sowie geschlossene Grenzübergänge erschweren immer wieder den Zugang in den Gazastreifen. Doch trotz aller Herausforderungen konnte das UNICEF-Team gemeinsam mit seinen Partnern in Gaza Hunderte Lkw-Ladungen mit humanitären Hilfsgütern liefern, auch bis in den besonders schwer erreichbaren Norden des Gazastreifens.

Kinder und Jugendliche können in Notunterkünften an UNICEF-Spielangeboten teilnehmen oder mit den UNICEF-Mitarbeitenden darüber sprechen, was sie Schlimmes erlebt haben. So können die Kinder in der aktuellen katastrophalen Lage etwas Ablenkung und Halt erleben. Tausende Kinder in Notunterkünften hat UNICEF mit Spiel- und Sportangeboten erreicht und ihnen so ein wenig Ablenkung und ein Stück Normalität inmitten der Gewalt ermöglicht. Mit Ihrer Unterstützung kann United Internet for UNICEF Kindern im Gazastreifen in ihrer Not zur Seite stehen.

Carla Giuseppina Magnanimo
Autor: Carla Giuseppina Magnanimo

Online Editor
Stiftung United Internet for UNICEF