Alleinerziehend im Kampf gegen den Hunger
Unter den vielen Familien im Auffanglager von Dubuluk sind auch immer wieder alleinerziehende Mütter. Wir treffen Adi Doti, sie ist Mutter von 8 Kindern, die 4 bis 18 Jahre alt sind. Vor vier Monaten ist sie im Camp angekommen, wie viele andere hat die Familie alle Tiere verloren und hofft nun auf Hilfe. Ihr Mann ist schon vor vielen Jahren gestorben, jetzt muss sie sich allein um die gesamte Familie kümmern.
Sie bekommt im Lager mit Unterstützung von UNICEF regelmäßig kleine Geldbeträge, sogenannte Cash-Transfers. Neben Impfstoffen, der Verteilung von Hygieneartikeln und Schulmaterialien gehören diese Geldzahlungen zur bewährten Unterstützung der Hilfsorganisation. Adi Doti erhält 4.000 Äthiopische Birr im Monat, umgerechnet etwa 80 Euro. Damit kauft sie vor allem Nahrungsmittel und auch die Schuluniform für eines ihrer Kinder.
Etwa 2.000 Menschen im Lager von Dubuluk bekommen diese finanzielle Unterstützung, die vor allem für alleinerziehende Mütter oder Familien mit minderjährigem Familienoberhaupt eingesetzt wird. Die Geldzahlungen bieten den Familien viele Vorteile. So kann Adi Doti das Geld für das einsetzen, was gerade am dringendsten benötigt wird. Gleichzeitig hilft das Geld der lokalen Wirtschaft – und nicht zuletzt ist es ein wichtiges Signal für die Würde der Flüchtlinge, sich eigenverantwortlich ein neues Leben aufbauen zu können.
Nach Hilfe zu fragen, fällt vielen Menschen im Auffanglager nach wie vor schwer. Bei einer Versammlung von Frauen aus dem Camp erfahren wir, dass das in der Kultur der Borena, die hier leben, nicht als angemessen angesehen wird. Trotzdem versammeln sich viele Frauen regelmäßig, um über die Probleme im Lager zu sprechen und sich gegenseitig zu helfen. Sie lösen Konflikte und sind auch Sprachrohr gegenüber den Behörden.
Es gebe zu wenig Geld, um grundlegende Dinge zu kaufen, erzählt uns Jilo Wako (53). Außerdem böten die provisorischen Zelte nicht genug Schutz. Weder vor der Witterung, noch vor Gewalt gegen Frauen und Kinder, ergänzt die 60-jährige Jilo Galgalo. Dabei sind es gerade die Schwächsten, die den besonderen Schutz dringend brauchen. Gerade, wenn sie schon zuvor Opfer von Gewalt geworden sind.
Besonders hart hat es Elma Burunge (Titelbild, Name geändert) getroffen. Elma ist gerade 15 Jahre alt. Vor nun fast zwei Jahren wurde sie auf der Straße überfallen und vergewaltigt. Sie wurde schwanger, ohne dass sie sich dessen bewusst war. Irgendwann hat sie jemand über ihre Schwangerschaft aufgeklärt und in das Gesundheitszentrum gebracht. Das Kind kam per Kaiserschnitt zur Welt, war aber so schwach, dass es nach neun Monaten starb.
Elmas Geschichte hört hier aber nicht auf. Denn sie wusste, wer ihr Peiniger war. Die Frauen im Camp halfen ihr, ihn vor Gericht zu bringen. Der 60-jährige Mann hatte ihr gedroht, sie umzubringen, sollte sie von der Tat erzählen. Jetzt sitzt er eine 15-jährige Strafe im Gefängnis ab.
Trotzdem ist Elma in den Augen mancher entehrt. „Meine Mutter hasst mich“, erzählt Elma unter Tränen. Auch ihr helfen die kleinen Geldbeträge, die sie von UNICEF bekommt. Sie geht nun wieder in die Schule, in die 7. Klasse. Mathe und Englisch sind ihre Lieblingsfächer. Ihre verlorene Kindheit bringt das nicht wieder zurück, aber Elma hat einen starken Willen, sich ihre eigene Zukunft aufzubauen.
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